Am 28. Juli erwachten wir topfit in Santa Marta. Wir hatten uns für diesen Tag vorgenommen, eine geeignete Agentur zu finden, mit der wir zur Ciudad Perdida, der verlorenen Stadt der Tayrona, wandern wollten, denn auf eigene Faust darf man sich nicht auf den Weg machen. Zwar zählt die Ciudad Perdida zu den Hauptattraktionen Kolumbiens, doch gibt es lediglich 4 Agenturen, die eine Tour dorthin anbieten. Als wir am späten Vormittag von unserem Hotel aufbrachen wussten wir das allerdings noch nicht. Wie üblich hatten wir vor eine Agentur nach der anderen abzuklappern, sie etwas gegeneinander auszuspielen und eine Ermäßigung auszuhandeln. Bis auf eine einzige konnten wir aber keine in Santa Marta finden und den dort verlangten Preis wollten wir (noch) nicht zahlen. Weder längeres Suchen noch der lonely planet konnten uns helfen und wie das Schicksal so spielt war gerade an jenem Tag ein großes Fest in der Stadt, sodass die Touristeninformation noch dazu geschlossen war. Zu allem Überfluss begann es dann auch noch zu regnen.
Wir gaben aber nicht auf und hatten die Idee nach Taganga, einem kleinen, sehr touristischen Fischerdorf, etwa 10 Minuten von Santa Marta entfernt, zu fahren, in der Hoffnung dort noch weitere Touranbieter zu finden. Offensichtlich wurde der Bau einer Kanalisation in Santa Marta relativ stiefmütterlich behandelt, denn bald stand das Wasser in den Straßen. Zwar hörte der Regen immer mal wieder kurz auf, aber nur um danach umso heftiger wieder loszubrechen. Wegen des Festes war die Straße, von der aus die Busse nach Taganga fahren für den Verkehr gesperrt und niemand wusste so recht, welche Route sie stattdessen nehmen. Das hielt die Leute aber nicht davon ab, uns eine Richtung zu zeigen. So gingen wir mal links, mal rechts, dann wieder zurück, kreuz und quer, teils auf rutschigen Gehsteigen, teils durch knöcheltiefes Wasser, bis wir nach einer Stunde waschelnass endlich einen Ort fanden, wo die Busse auch wirklich vorbei kamen. Wir waren schon kurz davor aufzugeben als uns endlich ein Bus mitnahm.

In den Straßen des überfluteten Santa Marta
In Taganga fanden wir dann tatsächlich eine andere Agentur, die aber den gleichen Preis verlangte und deren Mitarbeiter nicht den kompetentesten Eindruck machten. Aber wir waren müde, es wurde bereits langsam dunkel und wir wollten unbedingt zu diesem geheimnisvollen Ort. Also buchten wir die Tour. Glücklich und erleichtert fuhren wir zurück in unser Hotel und freuten uns schon sehr auf den nächsten Tag.
Eigentlich war abgemacht gewesen, dass wir um 8 Uhr mit dem Auto vom Hotel abgeholt werden sollten. Um 8.30 kam dann endlich ein Mann, der uns aufforderte zu Fuß mit ihm mitzugehen. Wir folgten ihm samt Gepäck einmal quer durch die Innenstadt zur Filiale der Agentur in Santa Marta. Dort empfing uns eine junge Dame, der wir lange und ausführlich erklärten, dass unser Gepäck ins Büro nach Taganga gebracht werden sollte, weil wir nach unserer Rückkehr dort bleiben wollten. Sie schrieb sogar einen Zettel und klebte ihn auf unsere Rucksäcke. Soweit so gut. Einige Zeit später kam ein zweiter Mann und wir gingen gemeinsam zu einem Pickup. Als wir das Gefährt sahen wurden wir bereits etwas skeptisch. Wir sollten auf den Bänken auf der Ladefläche Platz nehmen, was wir taten, aber wohl fühlten wir uns nicht. Das Auto hatte eindeutig mehr Jahre auf dem Buckel als wir, an mehreren Stangen standen Schrauben in Kopfnähe vor, alles war dreckig, wackelte und quietschte. Unsere Beschwerden über den Zustand des Autos, v.a. bei dem Preis, den wir bezahlt hatten trafen aber auf Unverständnis. Es dauerte etwa eine Stunde bis Laura, eine Mexikoamerikanerin mit Familie in Kolumbien zustieg, denn unsere beiden Begleiter taten sich etwas schwer damit die Straße zu finden, wo sie abgeholt werden sollte und sie mussten mehrfach nach dem Weg fragen. Bei diesem Stopp wurde mir angeboten, dass ich ja vorne sitzen könne, weil hinten wenig Platz sei. Der Plan wurde dann aber wieder revidiert, weil die Vordertüre nicht zu ging und der Beifahrer sie zuhalten musste. Sehr professionell. Nun wurde es aber besser. Zunächst holten wir Ina (Deutschland) aus ihrem Hostal und am Ende stieg noch ein kanadisches Pärchen ein. Wir bekamen sogar ein besseres Auto in Aussicht gestellt und tatsächlich konnten wir wenig später in einen Jeep mit echten Sitzen umsteigen.
Nach etwa einer Stunde Fahrt verließen wir die Hauptstraße und bogen nach rechts in die Berge. Unser Begleiter, der uns vom Hotel abgeholt hatte, stieg nun aus und stellte sich hinten auf die Stoßstange, damit Ina auf dem Vordersitz mehr Platz hatte. „Das geht erst hier, weil auf der Hauptstraße die Polizei so pingelig ist“ war sein Kommentar dazu. Der nun eingeschlagene Weg führte sehr holprig einen Hügel hinauf, rund um uns herum war nur Urwald. Nach einer Pinkelpause bei ein paar Hütten ging es weiter, nun aber bergab. Die Straße wurde nun immer schlechter und ständig kamen uns Soldaten schwitzend und zu Fuß entgegen. Kurz vor dem Ziel, dem Örtchen Machete, wagte unser Fahrer einen kurzen Blick nach links wo mehrere Kühe grasten und schon blieb das Auto im Schlamm stecken, er war nämlich von der trockenen Fahrspur abgerutscht. Es bedurfte einiger vergeblicher Versuche bis unser Chauffeur endlich den Allradantrieb einschaltete und damit das Auto befreien konnte.
In Machete empfing uns unser Guide, Diego. Er geleitete uns in ein Restaurant, wo wir unser erstes Mittagessen, Weißbrot mit Salat, Wurst, Käse und Salsa Rosada (so eine Sauce mit viel Chemie), einnahmen. Zwei junge und fröhliche Iren warteten bereits auf uns. Während des Essens kam ein wirklich furchtbar aussehender, bis auf die Knochen abgemagerter Straßenhund, um zu betteln. Mein Versuch, ihm ein Stück der eher mäßig schmeckenden Wurst zu geben scheiterte aber, denn ein viel stärkerer, besser genährter Hund schnappte ihm die Wurst einfach weg. Wir fanden das sehr traurig zum Ansehen, aber die Natur kennt nun mal nur das Gesetz des Stärkeren.
Wie bestellt fing es gerade als wir loswanderten zum Regnen an. Wir dachten uns noch nichts Böses dabei, wir hatten ja den Regenschutz für die Rucksäcke. Also spazierten wir fröhlich dahin, verließen den Ort und gingen einen breiten Weg entlang. Immer wieder kamen uns Wanderer entgegen, teils recht dreckig und mit erschöpftem Gesichtsausdruck, aber stets glücklich. Es dauerte keine halbe Stunde da kamen wir zum ersten Fluss, den es zu durchqueren galt. Zuversichtlich wie wir waren zogen wir brav unsere Schuhe aus und wateten barfuß durch das Wasser. Keine 200 Meter später wartete schon der nächste Fluss, also war es nicht der Mühe wert die Schuhe dazwischen wieder anzuziehen. Der Regen wurde nun immer heftiger. Diego schien etwas gestresst zu sein und mahnte zur Eile.
Mitten im Regen mitten im Dschungel
Wir gingen einen Fluss entlang, mal bergauf, mal bergab. Als die Stelle kam, an der wir auch diesen durchqueren sollten meinte Diego, dass wir sowieso durch und durch nass werden würden und es sich nicht auszahle die Schuhe auszuziehen. Na gut, also durch das kniehohe Wasser samt Schuhen. Ein zunächst ungutes Gefühl. Aber Diego sollte recht behalten. Bald kamen wir uns wie in einem Tropensturm vor. Es goss aus Eimern, aber der warme Regen war sehr angenehm auf der Haut, hie und da sah man einen Blitz. Es ging jetzt steil bergauf. Unsere Kleider klebten an unseren Körpern und waren schwer, aber wir hielten das relativ hohe Tempo durch und Anja übernahm nach einiger Zeit sogar die Führung der Gruppe. Unermüdlich kämpften wir uns den Hügel hinauf, obwohl uns schon regelrechte Bäche entgegen kamen. Nach über einer Stunde erreichten wir einen kleinen Unterstand und bekamen eine ausgezeichnete Wassermelone als Snack serviert. Die beiden Iren waren mit einem anderen Guide bereits voraus gegangen, warteten hier aber auf uns. Irgendwann sagte einer der beiden zu mir: „Hm, ich weiß nicht ob hier, unter einem Wellblechdach der sicherste Ort bei einem Gewitter ist…“
Alle zusammen brachen wir wieder auf als der Regen leicht nachließ. Das war aber nur ein Trick des Wettergottes sein, um uns zum Weitergehen zu verleiten. Bald goss es wieder, als stünde die Apokalypse bevor. Der Weg ging nun nicht mehr so steil bergauf und nach einiger Zeit erreichten wir einen weiteren Unterstand, wo wir rasten konnten. Ich hatte bereits riesigen Durst und kein Wasser dabei, denn in der Agentur hatte man uns gesagt, Wasser wäre ab dem Mittagessen inkludiert. Dem war nicht so. Kurzerhand schnappte ich mir deshalb einen herumliegenden Becher und füllte ihn mit dem Regenwasser aus einem herumstehenden Topf. Nicht alle Gruppenmitglieder hielten das für eine gute Idee, aber mein Magen machte mir während der ganzen Tour keine Probleme. Der Unterstand war übrigens nicht unbedingt clever angelegt, er stand nämlich direkt an einem sehr steilen Hang. Immer wieder fielen Erdklumpen von dieser völlig aufgeweichten Wand herunter und ließen Schlimmes erahnen.
Erneut ließ der Regen leicht nach als wir weiter gingen. Erneut war das nur von kurzer Dauer. Nun ging es sehr steil bergab, durch Wasser und Schlamm. Nach etwa einer halben Stunde erreichten wir endlich unsere erste Unterkunft und ein Dach unter dem wir Schutz fanden. Ein gewaltiger Fluss brauste hier vorbei und bald hieß es, unsere Hängematten seien auf der anderen Flussseite, aber eine Überquerung derzeit nicht möglich. Wir müssten warten bis das Wasser sinkt. Tolle Aussichten. Für uns schien es undenkbar, dass der Fluss in der nächsten Zeit zurückgehen könnte, so voll war er, außerdem regnete es immer noch. Dennoch machten wir das Beste aus unserer Situation. Ein Blick in unsere Rucksäcke verdarb uns aber gleich wieder die Laune. Zwar hatte mein Regenschutz den Großteil des Wassers abwehren können, aber eben nur den Großteil. Wie sich herausstellte hatten wir praktisch gar nichts Trockenes mehr zum Anziehen. Also suchten wir uns einen Platz auf einer Wäscheleine und hängten alles, Schlafsäcke, Unterwäsche, t-Shirts usw. auf. Besonders die Sachen in Anjas kleinem Rucksack waren klatschnass, aber es half ja nix :-) Wenigstens war es (im Gegensatz zum Torres del Paine Nationalpark) warm.
Es wurde bereits dunkel als tatsächlich der Wasserstand des Flusses zurück ging und wir den Fluss doch noch überqueren konnten. Anja schnappte sich ihren Bikini, ich hatte mein nasses Zeug gar nicht ausgezogen und ab gings ins Wasser. Wir mussten sehr aufpassen im Halbdunkel, denn zwischen den kaum erkennbaren Steinen, die als eine Art Pfad dienten war das Wasser immer noch hüfttief. Geschafft von 4 Stunden Regenwanderung, aber satt und froh über den Tag legten wir uns in unsere Hängematten. Obwohl ungewohnt und zunächst unbequem schliefen wir doch relativ gut darin.
Hängematten in der ersten Unterkunft
Am nächsten Morgen lachte uns die Sonne entgegen. Die beiden Iren und das kanadische Pärchen waren bereits um 5 Uhr früh aufgebrochen, denn sie wollten die Tour in 4 anstatt 5 Tagen machen. Wir hatten hingegen Zeit. Nach dem Frühstück holten wir unsere nassen Sachen (die übrigens kein bisschen getrocknet waren) von der anderen Flussseite und mussten dabei kaum noch ins Wasser steigen, so weit war der Fluss zurückgegangen. Wir schlüpften in unser nasses Gewand vom Vortag und machten uns auf zur nächsten Unterkunft. Anja, Ina und ich gingen voran, Laura und Diego folgten etwas weiter hinten. Der Weg führte zunächst leicht bergauf, vorbei an Wiesen und Weiden. Und an Kühen. Ein paar dieser Viecher standen mitten am Weg und waren nicht unbedingt gut auf Touristen zu sprechen. Anja wagte es als erste sich an einer Kuh mit Kalb vorbei zu schleichen, bemühte sich darum keine hastigen Bewegungen zu machen und etwas Abstand zur Kuh zu halten. Diese interessierte das aber gar nicht, sondern war der Meinung wir hätten hier nichts zu suchen und gab Anja mit ihren Hörnern einen Stoß in die Seite, nix Schlimmes, trotzdem unsympathisch.
Später ging es wieder durch den Urwald. Unterwegs entdeckte Diego wohl eine besonders giftige Schlange und warf sofort einen tödlichen Stein nach dem Tier, obwohl es nicht einmal auf dem Weg geschlichen war. Nach steilem Abstieg und einer weiteren Flussüberquerung machten wir an einem weiteren Fluss Rast. Hier konnte man wunderbar Baden und wir ließen uns nicht 2 Mal bitten. Der Weg in die nächste Unterkunft war von hier aus nicht mehr weit. Wir kamen an einem indigenen Dorf vorbei und erreichten bereits vor Mittag unser Ziel.
Kurz nach dem Baden im Fluss. In Schwimmhose durch den Wald
In der Herberge(mit ziemlich stinkenden Betten) machten wir am Nachmittag und am Abend nähere Bekanntschaft mit Diego und unserem Koch William, der zwar behauptete über 20 Jahre alt zu sein, aber eher aussah wie 16. Diego setzte sich zu uns und erklärte uns Vieles über die Kultur der hier lebenden Menschen. Es gibt zahlreiche Stämme und Gemeinschaften, die nach wie vor gemäß ihren Traditionen leben. All diese sind Nachfahren der Tayrona, einem Stamm, der die Cuidad Perdida erbaute und bewohnte. Als die Spanier Südamerika erreichten und eroberten machten diese Tayrona wohl Bekanntschaft mit den Conquistadores, wurden allerdings nie unterworfen, da die Spanier es nicht weit in die von Urwald überwucherten Berge der Sierra Nevada de Santa Marta schafften. Aus diesem Grund wurde auch die Ciudad Perdida von den Spaniern nie betreten. Dennoch war der Kontakt mit den europäischen Einwanderern alles andere als positiv. Vermutlich waren es eingeschleppte Krankheiten, die über Handelsbeziehungen mit den an der Küste lebenden Stämmen auch die Tayrona überkamen und sie stark dezimierten. So gaben sie ihre große Stadt im Dschungel irgendwann auf.
Heute schlagen sich die Indigenen erneut mit europäischen Eindringlingen herum, nämlich Touristen, die auf dem Weg zur verlorenen Stadt ihr Gebiet durchqueren. Wie uns Diego erklärte, zahlen die Guides den Gemeinschaften eine Art Transitgeld für die Touristen, womit die Dörfer etwas unterstützt werden. Insgesamt betrachten sie aber den wachsenden Tourismus mit Skepsis, denn sie fürchten um ihre Kultur. Deshalb wehren sie sich auch gegen Hubschraubertouren und den Bau von Seilbahnen und gestatten lediglich Wanderungen zu Fuß, um die Zahl der Touristen sozusagen durch natürliche Auslese zu begrenzen. Die Regierung unterstützte bisher die Indigenen, kaufte den Bauern, die im Laufe der Jahrhunderte ihre Felder immer weiter in den Dschungel hinein pflanzten, deren Land ab und übergab es den Indigenen zur Besiedelung. Allerdings wächst die Furcht vor der Errichtung eines Nationalparks in diesem Gebiet, mit dem sie auf einen Schlag all ihre Rechte und ihr Land verlieren würden, denn offiziell gehört das Land nach wie vor dem Staat und der hat natürlich großes Interesse am wachsenden Tourismus.

Unsere kleine, aber feine Gruppe mit Anja, Diego, Laura und Ina (v.l.n.r.)
Kokaequipment eines Indigenen. Im Vordergrund die getrockneten Blätter, dahinter ein Gefäß, in dem zerriebene Muscheln (Kalk) aufbewahrt wird, die benötigt werden, um die Stoffe aus den Blättern herauszuholen. Der gelbe Schaft besteht ebenfalls aus diesem Kalk und wird langsam und mühsam im Laufe des Lebens durch immer neues bestreichen aufgebaut. Geht er kaputt bedeutet das großes Unglück.
Diego sagte uns auch, dass sich die Guides vor Kurzem zu einer Genossenschaft zusammengeschlossen haben, um eine stärkere Position gegenüber den Agenturen zu haben. Die Konsequenz war ein Abkommen wodurch die Guides verpflichtet waren sämtliche Kosten für Verpflegung, Unterkunft, Transport und Eintritte aufzulisten. Die Agenturen sprachen sich ihrerseits ab und schlugen einfach noch einmal 100% drauf, ohne allerdings aufzulisten wofür sie so viel Geld brauchen. So ergibt sich der überall gleiche Preis für die Tour. Eine Hälfte für den Guide und alle anderen Kosten und die andere Hälfte für die Agentur. Leider sieht aber das kolumbianische Gesetz vor, dass derartige Touren aus Versicherungsgründen nur über Agenturen verkauft werden dürfen, also hatten wir keine Wahl. Als wir das alles erfahren hatten, waren wir dann doch etwas verärgert, zumal praktisch jede Information, die wir im Büro der Agentur bekamen falsch oder unvollständig war. Abends vertrieben wir uns die Zeit mit Karten spielen. Wir führten erfolgreich Mau Mau in Kolumbien ein und William und Diego hatten einen Riesenspaß mit uns zu spielen.
Tag 3 begann bereits vor 7 Uhr. Wir mussten vor Mittag ankommen, weil nachmittags die Flüsse bei Regen recht schnell anschwellen. Erstes Hindernis war einmal mehr ein Fluss. Dieses Mal gab es allerdings eine Seilbahn, die drüber führte. Naja, Seilbahn ist wohl etwas übertrieben, denn sie bestand lediglich aus einem Käfig, der mit zwei Seilen bewegt werden konnte. Diego zog den Käfig heran und überquerte als erster den Fluss. Ich wurde beauftragt, den Käfig zurück zu ziehen, damit die drei Frauen der Gruppe einsteigen konnten. Einzeln wurden nun Laura, Ina und Anja über den Fluss befördert. Als letzter war ich an der Reihe. Diego wollte zurück kommen, um mir beim Einsteigen zu helfen, doch ich war überzeugt, ich könne das allein. Das Einsteigen war auch nicht das Problem, allerdings vergaß ich das Seil richtig hinzulegen und so verfing es sich an einem Stein und war damit etwa 3 Meter zu kurz. Also steckte ich im Käfig direkt über dem Fluss fest. Etwas genervt sagte mir Diego ich solle mich nicht bewegen, obwohl ich mich einfach zurück ziehen und das Seil lösen hätte können. Stattdessen ging Diego hinunter zum Fluss, schwamm hindurch und löste das Seil auf der anderen Seite. Mir war die ganze Geschichte sehr sehr peinlich.

Seilbahn über den Fluss
Nach dem Fluss ging es wieder steil bergauf. Am höchsten Punkt des Weges stand, mitten in der Wildnis eine Art Kiosk mit käuflich erwerbbaren Erfrischungen und gut aufgelegtem Personal. Hier holte uns William ein, der einen Rucksack, größer als er selbst trug und damit gewaltigen Eindruck bei Laura machte. In der Folge waren die beiden beste Freunde. Der Rest des Weges ging praktisch nur mehr bergab, bis wir erneut denselben Fluss wie zuvor erreichten und überquerten. Kurze Zeit später kamen wir in unserer dritten Unterkunft an und verbrachten den Nachmittag dort. Diego erzählte uns an diesem Tag über die Geschichte der Cuidad Perdida, wie ein Stammeshäuptling in den 70er Jahren die Archäologen rief, weil Grabräuber auf die Stätte gestoßen waren und begonnen hatten sie systematisch zu plündern und zu zerstören. Sofort hatten die Forscher die Bedeutung dieser alten Mauern erkannt und Militär zu deren Schutz hier stationiert. Nur die Art und Weise wie die Entdeckung der Öffentlichkeit verkauft wird, schmeckte Diego nicht besonders.

Typische Hütte der hier lebenden Stämme der Kogi, Ika und Sanka
Es war schon dunkel als noch eine Gruppe im Camp ankam. Sie waren verschwitzt und ziemlich ko, wir kamen aber bald ins Gespräch mit ihnen und wie es der Zufall so wollte hatten wir doch tatsächlich 2 Österreicher neben uns am Tisch. Sie erzählten uns, dass sie die ganze Tour in nur 2 Tagen machen wollten und an diesem Morgen erst von Santa Marta aufgebrochen waren, denn in 4 Monaten wollten sie um die ganze Welt. Das Beste an der ganzen Geschichte war dann aber, dass einer der beiden einen Bekannten aus Melk hatte, der ein Freund von Anja’s Bruder ist. So klein ist die Welt…
Endlich war es nun soweit. Früh am Morgen des 4. Tages gingen wir hinauf zu den Ruinen der Stadt, deren eigentlicher Name Teyuna ist. Zunächst stand allerdings noch eine Flussüberquerung auf dem Programm. Bereits zum dritten Mal kreuzten sich unsere Wege mit dem des Rio Buritaca und wir mussten der starken Strömung im hüfthohen Wasser trotzen. Im Anschluss ging es über eine uralte Treppe über hunderte von unregelmäßigen, rutschigen Stufen bergauf. Wir kamen ganz schön ins Schwitzen bei der hohen Luftfeuchtigkeit und dem warmen Klima. Aber die Mühen der letzten Tage hatten sich gelohnt als wir die ersten Kreise erreichten. Die Stadt verteilt sich über eine große Fläche und viele Höhenmeter und brachte uns echt zum Staunen. Wir stiegen über die escala del rey (Königstreppe) nach oben zu den Hauptheiligtümern, von denen aber nur mehr die Steinkreise übrig sind. In diesen Kreisen standen einst Hütten und unter den Hütten wurden Opfergaben vergraben, besonders Gold für die Sonne. Wir hatten echtes Glück an diesem Tag, denn außer uns und einer anderen kleinen Gruppe waren keine Menschen dort, abgesehen von einer Gruppe Soldaten, die ein Stück weiter oben ihr Lager hatten. Und unterwegs waren uns bereits Gruppen von 20 und mehr Leuten begegnet.

Anja bezwingt den Rio Buritaca
Diego erklärt uns einen bearbeiteten Stein, der eine Landkarte darstellt.
Die "escala del rey", die Königstreppe
Aussicht auf die höchsten Kreise, das wichtigste Heiligtum der Stadt. Noch heute verehren die hier lebenden Stämme diesen Ort.
Nach einem frühen Mittagessen im Camp machten wir uns auf den Rückweg. Der Weg war kein Problem, die Sonne brannte vom Himmel und half uns dabei unsere Körpersäfte einmal komplett auszutauschen. Kurz nachdem wir erneut mit der Seilbahn den Fluss überquert hatten machten wir einen kurzen Badestopp am Fluss. Das Wasser war recht frisch und die Strömung am Rande des Badeplatzes sehr stark. Übermütig wie ich bin, wagte ich einen Kopfsprung ins Wasser, verlor dabei allerdings beinahe meine Schwimmhose und war nach dem Auftauchen mehr damit beschäftigt sie in die gewohnte Position zu bewegen, als an den Rand zu schwimmen und schon hatte mich die Strömung erfasst und riss mich mit. Ich konnte mich gerade noch an einem Stein festhalten, ansonsten hätte ich wohl einen längeren unfreiwilligen Badeausflug gemacht. Zu allem Überfluss erzählte uns Diego später, dass genau an dieser Stelle einen Monat zuvor ein französischer Tourist mitgerissen worden war, der dieses Abenteuer leider nicht überlebte.
Tag 5 des Ausfluges war nicht mehr so spannend. In der prallen Hitze wanderten wir zurück nach Machete, schwitzten uns die Seele aus dem Leib und waren am Ende froh uns für die 5-tägige Version entschieden zu haben und nicht noch einen Tag länger geblieben zu sein, denn wir hätten einfach im ersten Camp einen Tag lang warten müssen. Etwas erschöpft, aber froh über diesen Trip waren wir am Ende und als letztes Highlight spendierten uns Diego und William eine Flasche Sekt, weil wir so eine tolle Gruppe gewesen sind.
Zum Abschluss eine Flasche Schaumwein. Ziemlich süß, also ziemlich lecker :-)
Eine erneut holprige Fahrt brachte uns zurück auf die Hauptstraße, wo unser Fahrer seinen Jeep mit geschmuggeltem Benzin (Venezuela ist ja nicht weit weg) auftankte. „Das machen hier alle so, es ist einfach viel billiger.“ Zurück in Taganga wollten wir unser Gepäck abholen und (wie erwartet) waren unsere Sachen noch in Santa Marta, wo wir sie zurück gelassen hatten. Also sagten wir dem jungen Mann und der etwas stupiden Frau (die uns die ganzen falschen Infos gegeben hatte), dass wir unsere Sachen gerne hier hätten. „Kein Problem, wir schicken die Sachen mit einem Taxi her, in 15 Minuten sind sie da!“ bekamen wir versprochen. Eine knappe Stunde später hatten wir dann unser Zeug wieder, konnten endlich duschen und uns ausruhen. Fazit: Die Tour war wahnsinnig toll, der Guide und die Verpflegung haben super gepasst, nur alles, was im Verantwortungsbereich der Agentur (Magic Tours Taganga) lag, war eher bescheiden. Allerdings können wir nicht sagen, ob die anderen drei Agenturen besser sind. Das ist wohl der Preis, den man zahlen muss, um die wunderbare Ciudad Perdida zu erleben.